Unser Standpunkt zum Thema Arbeitszeit

Arbeitszeit ist einer der zentralen Streitpunkte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. So müsste der 1. Mai eigentlich „Tag der Arbeitszeit“ heißen, denn er geht auf einen Streik der amerikanischen Gewerkschaften zur Verkürzung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden zurück. Das war 1886.

Knapp 70 Jahre später betrug die Arbeitszeit in Deutschland immer noch 49 Stunden pro Woche, der Samstag war ein regulärer Arbeitstag. Legendär ist das Plakat des DGB aus dem Jahre 1956, das einen kleinen Jungen und den Spruch „Samstags gehört Vati mir“ zeigt.

Noch einmal rund 30 Jahre später (1984) begann der Kampf um die 35-Stunden-Woche mit einem Streik der IG Metall.

Und heute? Die Fünf-Tage-Woche ist die Regel, in einigen Branchen ist die 35-Stunde-Woche umgesetzt, in der Diskussion dominieren Begriffe wie „Work-Life-Balance“, also das Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeiten, Vertrauensarbeitszeit oder Zeitsouveränität.

Aber beim näheren Hinsehen bleibt von den schönen Worten oft nur der noch nicht einmal schöne Schein. Die Arbeitszeit ist nach wie vor eine der „Hauptkampfzonen“ zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Zwar ist die Fünf-Tage-Woche zumindest im Grundsatz nicht in Gefahr, aber der freie Samstag ist nur für etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Realität. Überhaupt sind atypische Arbeitszeiten auf dem Vormarsch – samstags, sonntags, nachts. Im Vordergrund stehen nicht die Bedürfnisse oder die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern der flexible Einsatz der Arbeitskräfte, je nach Arbeitsanfall, saisonalen oder konjunkturellen Schwankungen.

Zwar kommt die Aufhebung des starr geregelten Arbeitstages auch dem Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Zeitsouveränität zugute. Aber auch hier lohnt ein zweiter Blick: Wenn die Folge von Vertrauensarbeitszeit oder die alleinige Orientierung an Zielen und der Qualität der Ergebnisse bedeutet, dass der Arbeitnehmer allein das Risiko von Krankheit oder Verzögerungen trägt, wenn sie mit einer Entgrenzung von Arbeitszeit, also einer ständigen Verfügbarkeit einhergeht, sind die eigentlichen Vorteile der Herrschaft über die eigene Zeit ad absurdum geführt.

Schließlich gibt es auch Berufsgruppen, bei denen die Anwesenheit zu festgelegten Zeiten erforderlich ist (beispielsweise im Krankenhaus). Hier spielt die Dienstplangestaltung eine entscheidende Rolle. Sie muss die gesundheitliche Belastung von Schichtarbeit genauso berücksichtigen wie die allgemeine Belastung der zu erledigenden Arbeit und die sozialen Folgen permanenter Schichtarbeit.

Neben der Tages-, Wochen- oder Monatsarbeitszeit hat sich auch die Lebensarbeitszeit verändert. Vor dem Hintergrund von Globalisierung, demografischem Wandel und steigendem Technologieeinsatz gibt es die klassische Erwerbsbiografie „Ausbildung – Berufstätigkeit (wenn möglich in einem Unternehmen) − eventuell Familienphase − Rente“ kaum mehr. Ein lebenslanges Berufsprofil ist der gebrochenen Erwerbsbiografie mit häufig wechselnden Tätigkeiten an verschiedenen Orten gewichen. Die Folge ist lebenslanges Lernen bis hin zum mehrfachen Wechsel des Berufes. Das bedeutet, dass längere Phasen der Weiterbildung in Erwerbsbiographien selbstverständlich werden. Das Modell der Zweiteilung der verfügbaren Zeit in Arbeitszeit und Freizeit trägt nicht mehr. Der Sozialwissenschaftler Gerd Mutz spricht stattdessen von unterschiedlichen Zeitsegmenten wie Erwerbszeit, Bildungszeit, Bürgerzeit, Familienzeit und Eigenzeit.

Als Bildungswerk der Gewerkschaften in Nordrhein-Westfalen vertreten wir zum Thema Arbeitszeit folgenden Standpunkt:

  • Arbeitszeit ist Lebenszeit, deshalb treten wir kompromisslos für die Humanisierung der Arbeitswelt ein
  • Die gesundheitliche Belastung der Beschäftigten muss so gering wie möglich gehalten werden
  • Zeitsouveränität darf sich nicht nur an den Bedürfnissen der Arbeitgeber nach Leistungssteigerung und Flexibilität orientieren
  • Neben dem Gesetzgeber und den Tarifparteien haben auch die betrieblichen Interessenvertreter an der Arbeitszeitgestaltung mitzuwirken und den Raubbau an Gesundheit und Lebensglück der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verhindern
  • Bildungszeit muss als fester Teil der Biografie auch bei Erwachsenen anerkannt und gefördert werden

Wir sehen unseren Beitrag darin, betriebliche Interessenvertretungen und interessierte Beschäftigte durch gezielte Weiterbildung dazu zu befähigen, arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitregelungen, Dienstplangestaltung und Gesundheitsschutz im Betrieb umzusetzen.

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