GUT ARGUMENTIERT FÜR DEN SEMINARBESUCH: FREISTELLUNG FÜR BETRIEBSRÄTE

Für die Fortbildung von Betriebsräten gibt es klare, gesetzliche Regelungen. Dennoch werden Betriebsräte oft mit Einwänden gegen den Seminarbesuch oder die damit verbundenen Kosten konfrontiert. Im Folgenden sind die häufigsten Fragestellungen zur Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an erforderlichen Schulungsveranstaltungen gem. § 37 Abs. 6 BetrVG zusammengefasst. Damit Sie gute Argumente für den Seminarbesuch haben!

Es gehört zu den Amtspflichten des Betriebsrats, sich das für seine Arbeit erforderliche Fachwissen anzueignen.
BAG, Beschluss vom 21.04.1983 - 6 ABR 70/82

Wichtiger Hinweis: Die hier angeführten Argumente und die zitierte Rechtsprechung gelten speziell für die Rechtslage der Betriebsräte und sind auf Personalräte so nicht (immer) anwendbar.

Hier die Fragen, zu denen es gute Argumente gibt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann.

Einfacher ausgedrückt: Erforderliche Schulungen vermitteln dem Betriebsrat Kenntnisse, die zur Durchführung der Betriebsratsarbeit notwendig sind. Doch wer beurteilt dies?

Entscheidungsträger ist das Betriebsratsgremium, ihm steht diesbezüglich ein Beurteilungsspielraum zu (BAG, Beschluss vom 14.01.2015 – 7 ABR 95/12). Und im Rahmens dieses Beurteilungsspielraums hat das Betriebsratsgremium zu entscheiden, ob die Schulungsteilnahme in Hinblick auf den Inhalt der Veranstaltung, die Dauer und die Teilnehmerzahl erforderlich ist. Da es sich bei dem Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG um einen Kollektivanspruch handelt, entscheidet das Gremium und nicht das einzelne Betriebsratsmitglied.

Die Frage der Erforderlichkeit hat das Betriebsratsgremium dabei nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten, sondern vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten, der die Interessen des Betriebs einerseits und die des Betriebsrats und die der Arbeitnehmer gegeneinander abwägt (vgl. BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84).

Der Arbeitgeber ist also nicht die "vernünftige" Instanz zur Beurteilung der Erforderlichkeit, denn er ist interessengebunden. Seine Ablehnung der Schulungsteilnahme ist daher allenfalls Ausgangspunkt für Diskussionen oder Gerichtsverfahren, aber nicht "kraft Amtes" das letzte Wort.

Mehr dazu und zu weiteren Fragen rund um die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung, finden Sie in unseren Freistellungsratgeber.

Nein, der Arbeitgeber muss der erforderlichen Schulungsteilnahme von Betriebsratsmitgliedern weder zustimmen noch diese genehmigen. Denn über die Erforderlichkeit gem. § 37 Abs. 6 BetrVG entscheidet allein das Betriebsratsgremium und nicht der Arbeitgeber. Der vor der Schulungsteilnahme ordnungsgemäße Beschluss des Betriebsrats über die Schulungsteilnahme reicht aus.

Das richtet sich danach, welche Art von Kenntnissen auf der Schulung vermittelt werden.

  • Handelt es sich um eine Grundlagenschulung, auf der Grundkenntnisse vermittelt werden, ist die Schulung für alle Betriebsratsmitglieder und ohne weitere Begründung erforderlich. Dies gilt uneingeschränkt für neu gewählte Betriebsratsmitglieder. Auch die Auffrischung des Grundwissens etablierter Betriebsratsmitglieder kann durch Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen erforderlich sein.
  • Werden Spezialkenntnisse vermittelt, ist für die Teilnahme ein konkreter, betriebsbezogener Anlass erforderlich und in der Regel ist die Teilnahme nicht für das gesamte Betriebsratsgremium erforderlich. Zu den Spezialschulungen gehören alle Schulungen, die keine Grundlagenschulungen sind. Spezialkenntnisse benötigen vor allem diejenigen Betriebsratsmitglieder, die besondere Aufgaben erfüllen, zum Beispiel:
    • Betriebsratsvorsitzende, Stellvertretende,
    • Mitglieder des Betriebsausschusses, der Fachausschüsse sowie der Arbeitsgruppen,
    • Betriebsratsmitglieder, die sich spezialisiert haben.

Grundkenntnisse werden auf sogenannten Grundlagenschulungen vermittelt. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wurde festgelegt, was dazu zählt:

  • Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts (BAG, Beschluss vom 05.11.1981 - 6 ABR 50/79)
  • Grundkenntnisse über Arbeitsschutz und Unfallverhütung (Arbeitssicherheit) (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - 6 ABR 74/83).
  • Grundkenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts (BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84), z.B.:
    • Kündigungsschutz (KSchG),
    • Entgeltfortzahlung (EFZG),
    • Teilzeitbeschäftigung (TzBfG),
    • Mindesturlaub für Arbeitnehmer (BurlG),
    • Arbeitszeit (ArbZG) etc.
    • für das Arbeitsverhältnis einschlägige Tarifverträge

Durch die Vermittlung von Grundkenntnissen sollen die einzelnen Betriebsratsmitglieder überhaupt erst in die Lage versetzt werden, ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können. Deswegen sind Grundkenntnisse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Tätigkeit jedes Betriebsratsmitglieds und ohne weitere Begründung erforderlich. Dies gilt uneingeschränkt für neu gewählte Betriebsratsmitglieder. Auch die Auffrischung des Grundwissens etablierter Betriebsratsmitglieder kann aufgrund von Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen erforderlich sein. In diesem Fall muss die Erforderlichkeit aber begründet werden (LAG Hamburg, Beschluss vom 13.03.2008 - 8 TaBV 14/07).

Eine Schulung zu Spezialkenntnissen ist immer dann erforderlich, wenn der Betriebsrat die auf der Schulung zu vermittelnden Kenntnisse für seine Betriebsratstätigkeit jetzt oder demnächst braucht, um seine anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können.
Doch was heißt das? Der Begriff der Erforderlichkeit ist zwar bei allen Seminaren gleich, allerdings ist der Teilnehmerkreis bei Spezialschulungen meist kleiner als bei Grundlagenschulungen, an denen grundsätzlich alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen können.
So sind Spezialschulungen für alle diejenigen Betriebsratsmitglieder erforderlich, die mit diesem Thema im Gremium tatsächlich betraut sind, sich spezialisiert haben oder in Ausschüssen tätig sind. Siehe auch oben den Punkt „Können alle Betriebsratsmitglieder an allen Schulungen teilnehmen?“.
Anders ausgedrückt: diejenigen haben einen Anspruch, die sich in der Gremiumsarbeit mit dem zu schulenden Aufgabenbereich auch tatsächlich befassen bzw. befassen werden. Denn für diejenigen sind die auf der Schulung vermittelten Kenntnisse erforderlich, damit sie die derzeitige oder demnächst anstehende Betriebsratsarbeit überhaupt ordnungsgemäß ausführen zu können.
Es ist also zu prüfen, ob

  • die in der Schulung vermittelten Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind,
  • und für welche Betriebsratsmitglieder die Schulung erforderlich ist.

Das BetrVG enthält weder eine Beschränkung noch irgendwelche Vorgaben, wie lange eine Schulung dauern darf. Entscheidend ist auch hier die Erforderlichkeit. Die Beurteilung der Erforderlichkeit hängt dabei von der Verhältnismäßigkeit und damit der Umstände des Einzelfalles ab, zum Beispiel um welche Branche es geht, vom Umfang und Schwierigkeit des Schulungsinhalts und dem allgemeinen Schulungsangebot.

"Hinsichtlich der Dauer einer Grundlagenschulung gibt es generell weder einen Anspruch auf drei Wochen Grundlagenschulung noch eine Begrenzung auf zwei Wochen. Die Beurteilung der Erforderlichkeit ist vielmehr immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit und damit der Umstände des Einzelfalles.“

LAG Hessen, Beschluss vom 15.9.2005 - 9 TaBV 189/04

Nein! Bei der Auswahl der Schulungsveranstaltung entscheidet allein der Betriebsrat und unter konkurrierenden Angeboten hat er ein eigenständiges Auswahlrecht.
Zwar hat der Betriebsrat bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat aber klargestellt, dass der Betriebsrat nicht die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen muss, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält:

„Der Betriebsrat ist deshalb allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen. Er muss nicht die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält.“

BAG, Beschluss vom 19.03.2008 - 7 ABR 2/07 und BAG, Beschluss vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14

Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung auf die preiswertere Veranstaltung in Betracht kommen.

Beim Vergleich der Anbieter kann übrigens auch die Gewerkschaftsnähe des Anbieters ein Argument für ein Seminar mit höheren Kosten sein: Der Betriebsrat kann auch die Vorteile eines gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsnahen Schulungsanbieters in seine Auswahlentscheidung einfließen lassen. Wenn der Betriebsrat seine Schulungsauswahl entsprechend darlegen kann, hat der Arbeitgeber auch höhere Kosten zu tragen.

“Der Betriebsrat kann seine Auswahlentscheidung bei vergleichbaren Seminarinhalten auch von dem Veranstalter selbst abhängig machen. Der Betriebsrat kann in diesem Zusammenhang berücksichtigen, dass gewerkschaftliche oder gewerkschaftsnahe Anbieter eine an den praktischen Bedürfnissen der Betriebsratsarbeit ausgerichtete Wissensvermittlung erwarten lassen und eine gemeinsame Gewerkschaftszugehörigkeit ein Klima gegenseitigen Vertrauens schafft, das den Schulungserfolg fördert.“

BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - 7 ABR 55/94

Der Betriebsrat hat das Recht auf eine eigenständige Auswahlentscheidung. Bei konkurrierenden Schulungsangeboten und Schulungsträgern entscheidet daher das Betriebsratsgremium über die Auswahl der Schulungsveranstaltung und nicht der Arbeitgeber. Denn es unterliegt dem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats, ob die Kenntnisse für die Arbeit des Gremiums erforderlich sind.
Es gelten die auch hier die Ausführungen zu -> „Muss der Betriebsrat den günstigen Anbieter auswählen?

“Der Betriebsrat kann seine Auswahlentscheidung bei vergleichbaren Seminarinhalten auch von dem Veranstalter selbst abhängig machen.“

BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - 7 ABR 55/94

Eine Schulung ist nicht allein deshalb nicht mehr erforderlich, weil die Amtszeit bald endet. Auch kurz vor der Betriebsratswahl kann die Teilnahme an einer Schulung erforderlich sein. Nur wenn ausgeschlossen ist, dass das Betriebsratsmitglied in der verbleibenden Amtszeit das zu vermittelnde Wissen auch noch nutzen kann, entfällt die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme (BAG, Beschluss vom 07.05.2008 – 7 AZR 90/07). Anders ausgedrückt: Es ist ausreichend, wenn der Betriebsrat die erworbenen Kenntnisse noch bis zum Ablauf seiner Amtszeit benötigt.
Das gilt auch, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses absehbar ist:

“Das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses des zu schulenden Betriebsratsmitglieds ist hinsichtlich der Darlegungsanforderungen für den Schulungsbedarf wie das bevorstehende Ende der Amtszeit des Betriebsrats zu behandeln. Die Interessenlage ist vergleichbar. Kann der Betriebsrat Art und Umfang der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten, die voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt anfallen werden, nicht beurteilen, kann er die Teilnahme eines erstmals in den Betriebsrat gewählten Betriebsratsmitglieds als erforderlich im Sinn von § 37 Abs. 6 BetrVG ansehen.“

BAG, Beschluss vom 17.11.2010 - 7 ABR 113/09

Also reicht es, wenn nur ein Betriebsratsmitglied zur Schulung fährt, und dann die anderen Betriebsratsmitglieder unterrichtet?  Weil das dann ja auch viel billiger ist?
Nein, der Arbeitgeber hat kein Recht, den Betriebsrat auf die Unterrichtung durch bereits geschulte Betriebsratsmitglieder zu verweisen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht die Aufgabe von Betriebsratsmitgliedern, neue oder wenig erfahrene Mitglieder zu unterrichten. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie über die notwendige pädagogische Ausbildung verfügen.

„Der Betriebsrat kann nicht auf Dauer darauf verwiesen werden, ein Betriebsratsmitglied könne sich die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise, etwa durch Selbststudium oder durch Befragung der übrigen, besser informierten Betriebsratsmitglieder verschaffen.“

BAG, Beschluss vom 19.03.2008 - 7 ABR 2/07

Auch hier ist die Rechtsprechung eindeutig:

„Da jedes Betriebsratsmitglied sein Amt in eigener Verantwortung führen muss, ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob ein oder mehrere andere Betriebsratsmitglieder bereits an einer Schulungsveranstaltung dieser Art teilgenommen haben.“

BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - 6 ABR 74/83

Das würde dann auf ein Selbststudium hinauslaufen und dazu ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eindeutig:

„Von einem neugewählten Betriebsratsmitglied kann ein Selbststudium des BetrVG wegen der Fülle der mit diesem Gesetz auch im Grundsätzlichen zusammenhängenden Zweifelsfragen, die überdies sich aus dem Gesetzestext weder erschließen noch lösen lassen, nicht erwartet werden.“

BAG, Beschluss vom 21.11.1978 - 6 ABR 10/77

„Ebenso wenig wie bei den Grundfragen zum Betriebsverfassungsgesetz und zur Arbeitssicherheit kann ein Betriebsratsmitglied auf das Selbststudium der wichtigsten Vorschriften und Probleme zum Individualarbeitsrecht und Tarifrecht oder auf die Weitervermittlung durch bereits früher geschulte Betriebsratsmitglieder verwiesen werden.“

BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - 6 ABR 14/84

Betriebsratsmitglieder müssen sich also nicht auf ein Selbststudium verweisen lassen, denn es ist grundsätzlich Sinn und Inhalt von Schulungsveranstaltungen, Betriebsräte als juristisch nicht vorgebildeten Personen die Zusammenhänge von Gesetzen und Rechtsprechung aufzuzeigen und die Teilnehmerinnen dazu anzuleiten, Gesetze und Rechtsprechung in der betrieblichen Praxis zu berücksichtigen (vgl. BAG, Beschluss vom 18.01.2012 - 7 ABR 73/10).

Unter Grundkenntnissen versteht man die Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts, des allgemeinen Arbeitsrechts und des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung (Arbeitssicherheit), siehe oben „Können alle Betriebsratsmitglieder zu allen Schulungen gehen?“

Die Auffrischung dieser Grundkenntnisse kann auch für etablierte Betriebsratsmitglieder aufgrund von Änderungen der relevanten Gesetze oder der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich sein. Reines Erfahrungswissen ersetzt keinen aufbereiteten Schulungsinhalt (LAG Hamburg, Beschluss vom 13.03.2008 - 8 TaBV 14/07).

Eine mehrjährige Tätigkeit im Betriebsrat lässt noch nicht den Schluss zu, dass das Betriebsratsmitglied allein dadurch die erforderlichen Grundkenntnisse erworben hat. Denn die Mitarbeit im Betriebsrat ersetzt keine systematische Schulung zu den hierfür maßgeblichen rechtlichen Grundlagen. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Sinne entschieden, dass die Dauer von vier Jahren Betriebsratszugehörigkeit für sich genommen noch nicht ausreicht, um aus der während dieser Zeit ausgeübten Betriebsratstätigkeit auf den Erwerb des erforderlichen Grundwissens auf dem Gebiet des allgemeinen Arbeitsrechts schließen zu können (vgl. BAG, Beschluss vom 19.03.2008 - 7 ABR 2/07).

Ja, eine Schulung kann auch dann erforderlich sein, wenn das Betriebsratsmitglied bereits über Vorkenntnisse verfügt und es darum geht, diese zu vertiefen und auszubauen. Voraussetzung für die Erforderlichkeit der Schulung gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG ist dann allerdings, dass das bisher erworbene Wissen des Betriebsratsmitglieds nicht genügt, um die Betriebsratsarbeit ordnungsgemäß durchzuführen. Dazu muss ein bestimmter betriebsbezogener Anlass gegeben sein. Bei Themen, mit denen der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben typischerweise betreut ist, genügt es, dass eine neue Rechtslage eingetreten ist oder sich die einschlägige Rechtsprechung geändert hat. Verändert sich die Gesetzeslage in dem Bereich der Grundkenntnisse, wie es z.B. bei der Reform des BetrVG oder der Einführung des AGG der Fall war, gehört eine Schulung über die neue Gesetzeslage ebenfalls zu der Vermittlung von Grundkenntnissen, für die eine besondere Darlegung der Erforderlichkeit nicht notwendig ist. Dann besteht die Erforderlichkeit für alle - auch die langjährigen Betriebsratsmitglieder.

„Bei der Frage, ob eine Vertiefung der Kenntnisse erforderlich ist, ist auf die konkreten Umstände im Betrieb sowie auf spezielle Aufgaben und Zuständigkeiten des jeweiligen Betriebsratsmitglieds abzustellen"

LAG Nürnberg, Beschluss vom 05.12.2013 –  5 TaBV 46/12.

 „Auch Wiederholungs- und Vertiefungsschulungen über Arbeitszeitfragen und sich hieraus ergebende betriebsverfassungsrechtliche Problematiken können zur Auffrischung und Erweiterung der bisherigen Kenntnisse bei einem konkreten, aktuellen betriebsbezogenen Anlass erforderlich sein.“

LAG Hamm, Beschluss vom 16.05.2012 - 10 TaBV 11/12

Wird die Schulung nur als Ganzes zur Buchung angeboten, so dass ein zeitweiser Besuch der Schulung aufgrund des Schulungskonzepts nicht möglich ist, ist die Schulung als insgesamt erforderlich anzusehen, wenn die Schulungszeiten der erforderlichen Themen mehr als 50 % betragen (BAG, Beschluss vom 28.9.2016 – 7 AZR 699/14).

Auch für ein Ersatzmitglied kann eine Schulung erforderlich sein, wenn dieses häufig nachrückt und ohne Schulungsmaßnahme für die Betriebsratsarbeit ansonsten übermäßige Schwierigkeiten und Reibungsverluste entstehen. Kommt das Ersatzmitglied des Betriebsrates über einen längeren Zeitraum häufig als Betriebsrat an rund einem Viertel der Betriebsratssitzungen zum Einsatz, benötigt es auch Kenntnisse über die Grundlagen der Betriebsratsarbeit. Deshalb besteht zumindest ein Anspruch auf den Besuch von Grundlagenseminaren zu den Themen Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht (BAG, Beschluss vom 14.12.1994 - 7 ABR 31/94).

Die Kostentragungspflicht für erforderliche Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist gesetzlich in § 40 Abs. 1 BetrVG geregelt. Danach hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen, wozu auch die Teilnahme an erforderlichen Schulungsveranstaltungen zählt.
Im Einzelnen fällt für die erforderliche Schulungsteilnahme damit folgendes unter die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers:  

  •  die tatsächlichen Schulungskosten,
  •  die Kosten für Verpflegung und Übernachtung,
  •  und auch die Fahrtkosten.

An ein einseitig vom Arbeitgeber festgelegtes Budget ist der Betriebsrat nicht gebunden. Denn die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist in § 40 Abs. 1 BetrVG geregelt und diese gesetzliche Regelung ist ein zwingendes Recht. Das bedeutet, dass rechtswirksam nicht davon abgewichen werden kann, auch nicht durch eine etwaige Betriebsvereinbarung. Das gleiche gilt auch für eine festgelegte Obergrenze für Betriebsratsschulungen.

Nein, das kann der Arbeitgeber nicht. Denn erstens kann der Betriebsrat seine Auswahlentscheidung auch von dem Veranstalter selbst abhängig machen (vgl. BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - 7 ABR 55/94). Der Betriebsrat kann also berücksichtigen, dass gewerkschaftliche oder gewerkschaftsnahe Anbieter eine an den praktischen Bedürfnissen der Betriebsratsarbeit ausgerichtete Wissensvermittlung gewährleisten.
Und zweitens hat bereits vor langer, langer Zeit das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auch verfassungsgemäß ist, wenn die Schulungsveranstaltung durch eine Gewerkschaft durchgeführt wird (BVerfG, Beschluss vom 14.02.1978 - 1 BvR 466/75).

Selbst bei höheren Kosten kann der Betriebsrat die Gewerkschaftsnähe eines Anbieters als Argument nutzen. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats bezieht sich neben den Inhalt der Schulungsveranstaltung auch auf den Schulungsveranstalter. So kann der Betriebsrat auch die Vorteile eines gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsnahen Schulungsanbieters in seine Auswahlentscheidung einfließen lassen. Wenn der Betriebsrat seine Schulungsauswahl entsprechend darlegen kann, hat der Arbeitgeber auch höhere Kosten zu tragen.

“Der Betriebsrat kann seine Auswahlentscheidung bei vergleichbaren Seminarinhalten auch von dem Veranstalter selbst abhängig machen. Der Betriebsrat kann in diesem Zusammenhang berücksichtigen, dass gewerkschaftliche oder gewerkschaftsnahe Anbieter eine an den praktischen Bedürfnissen der Betriebsratsarbeit ausgerichtete Wissensvermittlung erwarten lassen und eine gemeinsame Gewerkschaftszugehörigkeit ein Klima gegenseitigen Vertrauens schafft, das den Schulungserfolg fördert.“

BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - 7 ABR 55/94

Aus dem Schweigen des Arbeitgebers kann der Betriebsrat nicht schließen, dass der Arbeitgeber die Schulungsteilnahme für erforderlich hält. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat und der Arbeitgeber nicht innerhalb dieser Frist reagiert. Auch gesetzlich existiert keine Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber reagiert haben muss. Denn - wie oben dargestellt - ist die Zustimmung des Arbeitgebers zur erforderlichen Schulungsteilnahme gem. § 37 Abs. 6 BetrVG nicht notwendig, da der Betriebsrat die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme eigenständig zu prüfen hat. Das bedeutet, dass wenn der Betriebsrat die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme im Rahmen seines Ermessensspielraums hinreichend geprüft hat und die Erforderlichkeit für gegeben hält und einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, die Teilnahme auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers erfolgen kann. In einem solchen Fall ist nicht auszuschließen, dass es zu Schwierigkeiten mit der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber kommt.

Tipp: Um Streitigkeiten über die Kosten der Schulung im Vorfeld zu verhindern, ist es sinnvoll den Arbeitgeber eine Kostenübernahmeerklärung über die Schulungsteilnahme vorab unterzeichnen zu lassen.

Bei einer erforderlichen Seminarteilnahme ist der Arbeitgeber gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 BetrVG dazu verpflichtet, alle durch das Seminar entstandenen Kosten zu übernehmen.

Lehnt der Arbeitgeber die Teilnahme ab, so ist nach dem Grund zu fragen, weil sich danach dann das weitere Vorgehen richtet:

  • Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, (wenn er also den Zeitpunkt zu dem die Schulungsveranstaltung stattfinden soll ablehnt), kann er die Einigungsstelle anrufen.
  • Bestreitet der Arbeitgeber dagegen die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme oder lehnt er die Kostenübernahme ab, ist der Rechtsweg zum Arbeitsgericht eröffnet. Dort kann dann sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat ein Beschlussverfahren einleiten. Das Arbeitsgericht entscheidet dann über die Erforderlichkeit des Seminars.

Bevor es aber so weit kommt, stehen wir unseren Teilnehmer*innen beratend zur Seite.
Generell gilt: über die Erforderlichkeit eines Seminarbesuchs gem. § 37 Abs. 6 BetrVG entscheidet nicht der Arbeitgeber, sondern allein das Betriebsratsgremium.

 

Und hier finden Sie unsere Seminare für Betriebsrät*innen im Überblick

 

Christine Rosenthal
Juristin (Rechtsassessorin)
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