
Seminare für Ersatzmitglieder im Betriebsrat
Als Ersatzmitglied müssen Sie je nach Größe des Betriebsrates und welchen Platz Sie als Nachrücker*in einnehmen, in der Lage sein, spontan bei einer Betriebsratssitzung einzuspringen. Und das bedeutet: Sie müssen die wichtigsten Mitbestimmungsrechte kennen, um kompetent mitreden und entscheiden zu können. Ob Sie einen Anspruch auf Schulung haben und für welche Seminare, hängt u.a. davon ab, wie häufig Sie an Betriebsratssitzungen teilnehmen.
Welchen Schulungsanspruch haben Sie als Ersatzmitglied?
Auch für ein zeitweise nachrückendes Ersatzmitglied kann eine Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich sein, wenn er/sie häufig nachrückt und ohne Schulungsmaßnahme für die Betriebsratsarbeit ansonsten übermäßige Schwierigkeiten und Reibungsverluste entstehen. Kommt das Ersatzmitglied des Betriebsrates also über einen längeren Zeitraum als Betriebsrat an rund einem Viertel der Betriebsratssitzungen zum Einsatz, benötigt es auch Kenntnisse über die Grundlagen der Betriebsratsarbeit. Im Folgenden klären wir die rechtliche Lage im einzelnen.
- An die Erforderlichkeit der Schulung eines zeitweise nachgerückten Ersatzmitglieds werden höhere Anforderungen gestellt als bei einem ordentlichen Betriebsratsmitglied oder einem endgültig nachgerückten Ersatzmitglieds des Betriebsrats.
- Je häufiger ein Ersatzmitglied nachrückt, desto eher besteht ein Schulungsanspruch. Ein Krankheitsfall oder eine Urlaubsvertretung wird für sich allein gesehen u.U. noch nicht ausreichen, um einen Schulungsanspruch zu rechtfertigen. Wenn es aber absehbar ist, dass ein Ersatzmitglied noch häufiger nachrücken wird, stehen die Chancen besser.
- Es existiert keine eindeutige Rechtsprechung, aber z.B. hat das Arbeitsgericht Mannheim die Heranziehung eines Ersatzmitgliedes des Betriebsrates zu ¼ der Betriebsrats-Sitzungen in einem längeren Zeitraum der Vergangenheit als ausreichend für die Erforderlichkeit einer Schulung angesehen (Arbeitsgericht Mannheim, Beschluss vom 19.01.20 - 8 BV 18/99).
- Wie lang der Zeitraum sein muss, in dem es zu den häufigen Vertretungsfällen gekommen ist, ist von der Rechtsprechung nicht eindeutig festgelegt. Ein Zeitraum von 3 Monaten wurde als zu kurz angesehen (BAG, Beschluss vom 19.09.2001 - 7 ABR 32/00).
- Der Betriebsrat muss prüfen, ob es finanziell weniger belastenden Möglichkeiten gibt.
- Der Darlegung des Betriebsrats kommt erhebliche Bedeutung zu. Der Betriebsrat sollte daher zwei Punkte mit in das Protokoll der Betriebsratssitzung aufnehmen: Als Stichworte die Tatsachen, die begründen, wie häufig ein Ersatzmitglied voraussichtlich an Sitzungen teilnehmen wird (eine "auf Tatsachen begründete Prognose") sowie die Prüfung, ob eine finanziell weniger belastende Möglichkeit besteht.
Es gibt zwei Arten von Ersatzmitgliedern:
- endgültig nachrückende Ersatzmitglieder, die nachrücken, weil ein anderes Betriebsratsmitglied dauerhaft aus dem Gremium ausscheidet,
- und die zeitweise nachrückenden Ersatzmitglieder, die immer dann einspringen, wenn das ordentliche Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zeitweise verhindert ist.
Wenn ein Ersatzmitglied endgültig in den Betriebsrat nachrückt ist es eindeutig: Das entsprechende Ersatzmitglied wird ein gleichberechtigtes Betriebsratsmitglied, mit den gleichen Rechten und Pflichten wie jedes anderes Betriebsratsmitglied auch. D.h. zur Wahrnehmung seiner Tätigkeit hat es dann auch entsprechende Schulungsansprüche für die benötigen erforderlichen Kenntnisse.
Zeitweise nachrückende Ersatzmitglieder haben dagegen - anders als ordentliche Betriebsratsmitglieder - keinen grundsätzlichen Schulungsanspruch. Für ein häufig nachrückendes Ersatzmitglied kann aber eine Schulung erforderlich sein, wenn ohne eine Schulungsteilnahme übermäßige Schwierigkeiten und Reibungsverluste für die Betriebsratsarbeit entstehen würden. Stichpunkt ist hier die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Betriebsratstätigkeit. Und diese kann bei einem häufig einspringenden Ersatzmitglied nur voraussetzt werden, wenn das Ersatzmitglied auch über die für die Gremiumstätigkeit erforderlichen Kenntnisse verfügt. Ein Krankheitsfall oder eine Urlaubsvertretung wird für sich allein gesehen noch nicht ausreichen, um einen Schulungsanspruch zu rechtfertigen.
Eine Voraussetzung ist, dass es sich um ein häufig herangezogenes Ersatzmitglied handelt bzw., dass in der Zukunft mit einer häufigen Heranziehung zu rechnen ist. Dafür ist eine "durch Tatsachen begründete Prognose" erforderlich.
Die Rechtsprechung verlangt vom Betriebsrat, dass er vor seiner Beschlussfassung über die Schulungsteilnahme eines zeitweise nachrückenden Ersatzmitgliedes eine Prognose für die Zukunft fasst und prüft, wie oft mit der Heranziehung des Ersatzmitglieds zu rechnen sein wird.
Es ist genügt nicht, wenn der Betriebsrat pauschal davon ausgeht, dass in Zukunft Vertretungsfälle wohl aufgrund von Urlaub oder vorübergehenden Erkrankungen ordentlicher BR-Mitgliedern eintreten werden. Der Betriebsrat muss eine durch Tatsachen begründete Prognose über die zu erwartende Häufigkeit (und Dauer) der Heranziehung des Ersatzmitglieds anhand folgender Punkte vornehmen:
- Indizwirkung der Vergangenheit: Wenn es in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum häufig zu Vertretungsfällen gekommen ist, besteht eine "Indizwirkung", dass auch in Zukunft mit einem häufigen Nachrücken zu rechnen ist. Als „häufig“ sah das AG Mannheim die Heranziehung des Ersatzmitglieds an, wenn sie zu ¼ der BR-Sitzungen in der Vergangenheit erfolgt ist (AG Mannheim, Beschluss vom 19.01.2000 - 8 BV 18/99). Es gibt keine BAG-Rechtsprechung wie lang der Zeitraum sein muss, in dem es zu den häufigen Vertretungsfällen gekommen ist. Ein Zeitraum von 3 Monaten wurde als zu kurz angesehen (BAG, Beschluss vom 19.09.2001 - 7 ABR 32/00). Als ausreichend wurde ein Zeitraum von 2 Jahren durch das LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.04.2016 - 1 TaBV 63/15 benannt).
- Betriebsratsgröße: Je größer das Betriebsatsgremium ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Vertretungsfälle.
- Urlaubszeiten: Bei individuellen Urlaubszeiten fallen mehr Vertretungsfälle an, als bei einheitlichen Betriebsferien.
- Bereits bekannte langfristige Ausfallzeiten: Langfristiger Ausfall wegen Langzeiterkrankung oder Elternzeit.
Als "häufig" hat das Arbeitsgericht Mannheim, Beschluss vom 19.01.2000 -8 BV 18/99, eine regelmäßige Teilnahme des Ersatzmitglieds an mindestens einem Viertel aller Betriebsratssitzungen über einen längeren Zeitraum angesehen:
„Mit dem BAG geht die Kammer davon aus, dass auch häufig herangezogene Ersatzmitglieder gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG zu Schulungsveranstaltungen entsandt werden können, wenn der Erwerb der vermittelten Kenntnisse für die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats erforderlich ist. Das Ersatzmitglied hat im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats über einen Zeitraum von fünf Jahren regelmäßig an mehr als 1/4 der stattfindenden Betriebsratssitzungen teilgenommen. Die vom Betriebsrat gestellte Prognose, dass auch in Zukunft mit entsprechendem Vertretungsbedarf zu rechnen sei, erscheint danach gerechtfertigt. Die Kammer des Gerichts ist weiter der Auffassung, dass die Teilnahme an jeder dritten bis vierten Betriebsratssitzung den Begriff der Häufigkeit erfüllt.“ Arbeitsgericht Mannheim, Beschluss vom 19.01.2000 - 8 BV 18/99:
Wie lang der Zeitraum sein muss, in dem zu den „häufigen“ Vertretungsfällen gekommen ist, ist von der Rechtsprechung nicht eindeutig festgelegt. Zumindest ein Zeitraum von 3 Monaten wurde als zu kurz angesehen (BAG, Beschluss vom 19.09.2001 - 7 ABR 32/00).
Aber, siehe oben: Für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Schulungsanspruchs eines Ersatzmitglieds kann auch noch die Betriebsratsgröße eine Rolle spielen, genauso wie beispielsweise ein absehbarer langfristiger Ausfall von Betriebsratsmitgliedern oder individuelle Urlaubszeiten.
Kommt das Ersatzmitglied also über einen längeren Zeitraum häufig bei Betriebsratssitzungen zum Einsatz, benötigt es auch Grundkenntnisse, so wie jedes anderes Betriebsratsmitglied auch. Es sind hier keine strengeren Anforderungen an die Erforderlichkeit der vermittelten Kenntnisse zu stellen als bei ordentlichen Betriebsratsmitgliedern.
Arbeitsgericht Mannheim, Beschluss vom 19.01.2000 - 8 BV 18/99:
„Die Kammer ist daher der Auffassung, dass nichts anderes für Ersatzmitglieder zu gelten hat. Soweit diese häufig an Betriebsratssitzungen teilnehmen müssen, erscheint es nicht gerechtfertigt im Übrigen strengere Anforderungen an die Erforderlichkeit der vermittelten Kenntnisse zu steilen als bei „normalen“ Betriebsratsmitgliedern.“
Grundkenntnisse sind regelmäßig für die Tätigkeit eines jeden Betriebsratsmitglieds erforderlich, damit er die ihm vom Gesetz übertragenen Aufgaben erfüllen kann. Deshalb besteht für Ersatzmitglieder auch ein Anspruch auf den Besuch der klassischen Grundlagenseminaren zu den Themen Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Unfallverhütung.
Darüber hinaus kann sich auch ein Anspruch zur Teilnahme an Spezialschulungen ergeben. Es gelten hier die gleichen Anforderungen an die Erforderlichkeit für die Teilnahme an einer Spezialschulung wie sonst auch. So sind Spezialschulungen für diejenigen Betriebsratsmitglieder erforderlich, die mit diesem Thema im Gremium tatsächlich betraut sind, sich spezialisiert haben oder in Ausschüssen tätig sind. Anders ausgedrückt: diejenigen haben einen Anspruch, die sich in der Gremiumsarbeit mit dem zu schulenden Aufgabenbereich auch tatsächlich befassen bzw. befassen werden. Denn für sie sind die auf der Schulung vermittelten Kenntnisse erforderlich, damit sie die derzeitige oder demnächst anstehende Betriebsratsarbeit überhaupt ordnungsgemäß ausführen zu können. Trifft dies auf ein Ersatzmitglied zu und kann dies dargelegt werden, kann sich ein Schulungsanspruch auch für ein Ersatzmitglied ergeben.
Arbeitgeber argumentieren gern mit der finanziellen Belastung, die ihnen durch den Schulungsbesuch entstehen - egal, ob es um dauerhafte Mitglieder des Betriebsrates handelt oder um Ersatzmitglieder.
Im Fall der Ersatzmitglieder aber muss der Betriebsrat tatsächlich prüfen, ob andere, den AG weniger finanziell belastende Möglichkeiten als die Entsendung des Ersatzmitglieds zur Schulungsteilnahme bestehen. Folgende Punkte sind nach der Rechtsprechung zu prüfen:
- Könnten dem Ersatzmitglied die erforderlichen Kenntnisse auch anders z.B. vor oder in der Betriebsratssitzung gegeben werden? Ein wichtiges Gegenargument kann von Seiten des Betriebsrats sein, dass damit ein erheblicher Zeitaufwand für die übrigen Betriebsrät*innen verbunden ist.
- Entstehen durch die Heranziehung von ungeschulten Ersatzmitgliedern Schwierigkeiten? Schließlich sind zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines effektiven Ablaufs der BR-Sitzung und Beschlussfassung Kenntnisse des BetrVG und Arbeitsrecht zwingend notwendig. Ersatzmitglieder müssen mindestens über Grundkenntnisse verfügen um inhaltlich über Maßnahmen überhaupt beraten zu können. Solche grundsätzlichen Kenntnisse können kaum umfassend zwischendurch in der Sitzung vermittelt werden.
- Könnten Vertretungen durch Ersatzmitglieder durch Verschiebung der BR-Sitzungen verhindert werden? Hier gilt eindeutig: je häufiger die Vertretungsfälle sind, desto weniger ist dem Betriebsrat eine Verlegung der BR-Sitzungen zumutbar.